Die Kooperation von CriThink! e.V. und dem Alternativen Kultur- und Bildungszentrum (AKuBiZ e.V.) aus Pirna / Sachsen besteht bereits seit 2011. Seitdem haben wir uns immer wieder gegenseitig besucht, sind gemeinsam zu interessanten Orten gereist, und haben dabei von Berichten, in Vorträgen, und im Kontakt mit Zeitzeug:innen viel über die historischen Hintergründe der besuchten Stätten lernen können. Im letzten Mitgliederrundbrief 2017 berichteten wir über die gemeinsame Reise in die Normandie zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in Nordfrankreich, jetzt möchten wir von unserer Reise nach Tschechien auf den Spuren der „Roten Bergsteiger:innen“ erzählen.
Freitag, 8. Juni 2018
Wir erreichten am frühen Abend den kleinen Ort Ostrov in Tschechien in der „Böhmischen Schweiz“, nahe der deutschen Grenze, ist es ein traditionell beliebtes Wander- und Bergsteigegebiet. Nach und nach trafen rund 65 Personen in der Wanderhütte am See mit Zeltplatz und Blockhütten ein, um im Wanderseminar mehr über den grenzübergreifenden Widerstand in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz zur Zeit des Nationalsozialismus zu erfahren.
Ein Einführungvortrag zu den „Roten Bergsteiger:innen“ erzählte uns diese Geschichte von den antifaschistischen Wander- und Bergsteigegruppen in dieser Region. Schon seit dem späten 19. Jh. entstand um Dresden herum, begünstigt durch gute Infrastruktur und angezogen vom schönen Elbsandsteingebirge, die touristische Tradition in kleinen „Klubs“ organisiert mit Gleichgesinnten gemeinsam zu Wandern, Skifahren und Klettern zu gehen. Vor allem sozialdemokratische und kommunistische Sportsfreund:innen traten den Verbänden „Die Naturfreunde“ bzw. „Naturfreunde-Opposition“ bei, die dann von den Nazis 1933 sofort verboten wurden. Gleichwohl wurde weiter Sport getrieben, die grenzüberschreitenden Wege wurden weiterhin bewandert und die ehemaligen Mitglieder hatten wegen ihrer guten Ortskenntnis und ihrer Kontakte gute Bedingungen für grenzüberschreitende Antifaschistische Arbeit. Die Schleusung Verfolgter und der Transport von Literatur über die Grenze, Kurierdienste, Anbringen von Losungen, Unterstützung der Verfolgten und ihrer Angehörigen waren die Aktionen der „Roten Bergsteiger:innen“.
Die Geschichten und Aktionen der „Roten Bergsteiger:innen“ wurden später in der DDR als Serie „…“ verfilmt.
Der Vortrag gab uns auch einen Überblick über die Route, die wir wandern wollten: Geografisches und besonders Infos zu den Erinnerungsstätten, Denkmälern, wichtigen Wegen und Grenzübergängen des Widerstands gegen Nazideutschland.
Samstag, 9. Juni 2018
Eine ca. 13 Kilometer lange Wanderung führte uns auf den Hohen Schneeberg, den höchsten Berg der Böhmischen Schweiz. Während der Pausen auf Lichtungen und an Bachläufen erfuhren wir in kurzen Vorträgen die Geschichte der besuchten Orte und Schilderungen über das Leben der dortigen Bergsteiger:innen im Widerstand.
Zum Beispiel von der jüdischen Bergsteigerin Ilse Frischmann, die zwischen 1940 und 1943 im Elbsandsteingebirge die schwierigsten Kletterwege gemeistert hat. Mit Unterstützung und Deckung ihrer Freund:innen vollbrachte sie sportliche Höchstleistungen, ohne sich in die Gipfelbücher eintragen zu dürfen. (#Bild von Ilse Frischmann).
Abends las Eva Mendl, Vorsitzende des Mauthausen-Komitee-Ost e.V., aus den Briefen ihres Vaters Johannes Müller vor. Johannes Müller war einer der Widerstandskämpfer in dieser Region, der über die Grenzwanderwege illegale Literatur und Waffen schmuggelte. Er wurde 1940 von der Gestapo verhaftet und gefoltert, 1941 wegen Hochverrat zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt und 1943 mit dem Vermerk „Rückkehr unerwünscht“ ins Konzentrationslager Mauthausen verschleppt. Die Briefe, die er aus Gefängnissen, Zuchthäusern und dem KZ Mauthausen an seine Mutter und seinen Bruder geschrieben hat, erzählen von seinem Leben und den Bedingungen des Kampfes.
Sonntag, 10. Juni 2018
Am Sonntag führte die rund 10 Kilometer lange Tour in das Tisaer Felsengebiet. Der Wanderweg führte durch eine Landschaft bizarrer Felstürme mit dem schönen Namen Himmelreich (#Bild Felsen). Bei einer Pause erfuhren wir von der Bedeutung des Volkshauses im Ort Tisá. Das Volkshaus war Treffpunkt und Zufluchtsort verfolgter Antifaschist:innen, hier fanden Emigrant:innen Unterschlupf. Zudem wurden Waffen und Literatur dort versteckt. Betrieben wurde es von Elisabeth Morche (geb. Mildner), aus Pirna, Mitglied der KPC und genannt „Mutter der Emigranten“, auch ihre sechs Söhne waren im antifaschistischen Widerstand aktiv. (#Bild Tisaer Volkshaus)
Nach der Wanderung fuhren die meisten Teilnehmer:innen nach Hause, wir aber ließen nach einem Bad im See den Abend in der Hütte gemütlich ausklingen, und reisten erst am Montagmorgen zurück ins Saarland. Ein interessantes, inspirierendes und schönes Wochenende in guter Gesellschaft!