Der Nachtzug von München nach Zagreb fährt gut zehn Stunden. Während es rumpelt zieht die Landschaft an uns vorbei und wir lernen uns bei Bier und Schnaps besser kennen. Der gelegentliche Blick aus dem Fenster offenbart, dass wir uns Richtung Balkan bewegen. Immer häufiger sind in den romantischen Dörfern an Berghängen und in Tälern neben Kirchtürmen auch Minarette zu sehen. Wir haben wenig Schlaf und viel Spaß. Schließlich erreichen wir Zagreb im Morgengrauen, versorgen uns am Bahnhof mit Croissants und Kaffee und steigen mitsamt unserer 16-köpfigen Reisegruppe in den eigens von der Reiseleitung organisierten, sehr gemütlichen Kleinbus. Der freundliche und gut gelaunte Fahrer steuert souverän über die Autobahn nach Jajce in Bosnien-Herzegowina. Kurvenlage, Geräuschpegel und Interieur des Vehikels sind deutlich beruhigender als zuvor im Zug und so nutzen Viele die Fahrt für ein kurzes Nickerchen. So beginnt unsere von CriThink und Heinrich-Böll-Stiftung organisierte Reise. In den folgenden zehn Tagen stehen kulturelle, politische und historische Programmpunkte auf der Agenda.
Wir besuchen die jüdische Gemeinde in Sarajevo und sprechen über die Situation der Juden zur Zeit des Kommunismus in Jugoslawien und heute. Erleben wie die Veranstalter eines Theaterstücks aufgrund seines religionskritischen Inhalts von Hooligans bedroht werden und das Stück schließlich nur unter Polizeischutz und nur für einen ausgewählten Kreis aufgeführt wird. Wir Erfahren viel über das Entstehen der Bundesrepublik Jugoslawien. Die deutsche Besatzung. Treffen Kämpfer der Antifaschistischen Kräfte aus der Zeit des zweiten Weltkriegs. Werden schließlich allerorten mit den ethnisch-religiösen Konflikten, die zum Zerfall Jugoslawiens und zu dem furchtbaren Krieg geführt haben, konfrontiert. Wir treffen junge Menschen, die ein linkes Zentrum der ethnisch geteilten Stadt Mostar betreiben und so den Nationalisten und religiösen Fundamentalisten etwas entgegen setzen möchten.
Wir sehen viele monumentale Denkmäler und Denkmal-Anlagen aus der Zeit des Tito-Kommunismus. Wir besuchen Srebrenica, den Ort, an dem die Blauhelmsoldaten tatenlos zusahen, wie bosnisch-serbische Einheiten tausende Menschen ermordeten. Nicht selten sind die vielfältigen Informationen und Erlebnisse noch Stunden später präsent und wir sprechen, weinen, diskutieren und verarbeiten, was wir gemeinsam erlebt haben. Mit jedem Tag bestärkt sich der Gedanke, dass es hier noch viel mehr zu sehen gibt und dass es eine der besten Entscheidungen des Jahres war, an dieser Reise teilzunehmen.